Hans W.

Hans-W._Portraet_Mitte-30er-Jahre

Die Zeit vor der Inhaftierung
1915 bis 1941

Am 4. November 1915 wurde Johann Ludwig W., genannt Hans, in Essen geboren. Die niederländische Familie lebte seit einiger Zeit in der Stadt im Ruhrgebiet, da der Vater dort in der Baubranche arbeitete. Seine Eltern waren engagierte Sozialdemokraten. Die ersten Jahre seines Lebens verbrachte Hans mit seinen Geschwistern in Essen, bis die Familie wieder nach Amsterdam zurückkehrte. Noch vor ihrer Heimkehr in den 1930er Jahren, trat der Junge der Sozialistischen Arbeiterjugend bei. Seine berufliche Laufbahn begann er mit einer Ausbildung zum Tischler. 1935 musste er zum Militärdienst und als Grenzsoldat in Limburg arbeiten.

Im Mai 1940 besetzten die deutschen Truppen die Niederlande. Hans W. kam für einen Monat in deutsche Kriegsgefangenschaft. Nachdem er im Juni wieder nach Hause zurückgekehrte, entschloss er sich zum aktiven Widerstand.

Unter dem falschem Namen Hans van der Byfaard war er an der Herstellung und Verteilung der verbotenen Zeitung „Het Parool“ beteiligt. Im September 1941 verhaftete die Gestapo mehrere Mitarbeiter der „Het Parool“. Hans konnte der Verhaftung jedoch entkommen und in Limburg untertauchen. Dort arbeitete er drei Monate in einer Molkerei.

Die Zeit während der Inhaftierung
1941 bis 1945

Am 4. November 1941, seinem Geburtstag, kam er zurück nach Amsterdam und wurde dort sofort während der Sperrzeit von der niederländischen Gestapo verhaftet. Bei der Durchsuchung seines Zimmers fand man eine Karte der Sowjetunion, auf der Hans den Verlauf der deutschen Frontlinie eingezeichnet hatte. Hans W. wurde unter dem Verdacht, kommunistische Propaganda zu verbreiten, verhaftet.

Neun Monate verbrachte der 26-jährige im Gefängnis in Amsterdam und anschließend zwei Monate im Durchgangslager Amersfoort. Von hier aus wurde er in das KZ Neuengamme bei Hamburg transportiert. Er bekam die Häftlingsnummer 11097. Im KZ Neuengamme musste der junge Niederländer als erstes im Leichenkommando arbeiten und ermordete sowjetische Kriegsgefangene ins Krematorium bringen. Später arbeitete Hans W. in den Arbeitskommandos „Tongrube“ und „Klinkerwerk“. Im Februar 1943 verlegte man ihn in das KZ-Außenlager Drütte, wo er zunächst in der Tischlerei des Lagerkommandos arbeitete. Nach einem Streit mit dem Lagerkommandanten, wurde in das Walzwerk strafversetzt. Hier musste Hans W. Eisenbahnschienen auf Waggons laden. Bei dieser Arbeit verletzte er sich schwer an der Hand und musste im Krankenrevier des Lagers behandelt werden.

Im Mai 1944 errichtete die SS das KZ-Außenlager Watenstedt/Leinde. Hans W. wurde dorthin überstellt, um als Tischler und Elektriker beim Aufbau des Lagers mitzuarbeiten.

Der Arbeitseinsatz der Häftlinge erfolgte in den etwa zwei Kilometer entfernten Stahlwerken Braunschweig, in den Hallen 16 und 17. Der gelernte Tischler wurde in einer der Hallen als Elektriker eingesetzt und war von nun an für Motoren und Beleuchtung in der ganzen Halle zuständig. Im Januar 1945 wurde die Halle 16 bei einem Bombenangriff stark zerstört. Die Häftlinge mussten nun unter freiem Himmel weiter arbeiten, dabei handelte es sich vor allem um Aufräum- und Reparaturarbeiten.

Bei seiner Arbeit im Lager kam Hans W. auch in den Teil des Lagers, in dem die SS untergebracht war. Eines Tages entschloss er sich, von dort Zwiebeln und Kartoffeln mitzunehmen und in das KZ zu schmuggeln. Anfänglich lief alles gut, aber als er schon an dem Wachmann vorbei war, rief dieser ihn noch einmal zurück und entdeckte die Lebensmittel, die er in seiner Schubkarre versteckt hatte. Zur Strafe bekam er 25 Schläge mit einem Knüppel auf das Gesäß. Trotz dieser Erfahrung nutzte Hans W. auch weiterhin jede Gelegenheit um etwas zu „organisieren“. Sein Einsatz in unterschiedlichen Arbeitskommandos, die Zugang zu verschieden Fabrikbereiche hatten, boten hierfür die Gelegenheiten. Weihnachten 1944 konnten Hans W. und seine Kameraden sogar einen kleinen „beleuchteten Tannenbaum“ für die heimliche Feier besorgen.

Am 7. April 1945 räumte die SS das Außenlager. Die Häftlinge wurden mit Güterzügen abtransportiert. Der Weg führte sie kreuz und quer durch Norddeutschland, bis sie am 14. April 1945 das KZ Ravensbrück erreichten. Hier wurde Hans W. Ende April von der Roten Armee befreit.

Hans-W._HochzeitsfotoDie Zeit nach der Inhaftierung
1945 bis 1995

Der Niederländer kam zur Erholung in ein Krankenhaus bei Rheine.
Doch bereits im Sommer 1945 kehrte er nach Amsterdam zurück. Nur wenige Wochen später, am 22. August 1945, heiratete er seine Verlobte Mien. Ihr hatte  er aus dem Lager immer wieder Briefe geschrieben.

In den folgenden Jahren engagierte sich Hans W. für die Vereinigung ehemaliger politischer Gefangener und war bis Ende der 1980er Jahre als Betreuer im Widerstandsmuseum in Amsterdam tätig.

Er kehrte auch an die Orte seiner Gefangenschaft zurück. Im August 1962 besuchte er Salzgitter und stellte dabei fest, dass vom ehemaligen KZ Watenstedt/Leinde nur noch wenig zu sehen war. Er fand auch niemanden, der ihm Informationen über die Konzentrationslager Drütte und Watenstedt/Leinde geben konnte oder wollte. Es war, als ob diese Lager nie bestanden hätten. Erst 1991 bekam  er Kontakt zum Arbeitskreis Stadtgeschichte e.V. Im April 1992 waren Hans und Mien W. im Rahmen des ersten internationalen Treffens ehemaliger KZ Häftlinge in Salzgitter zu Besuch. Für Hans W. waren die Errichtung der Gedenk- und Dokumentationsstätte KZ Drütte und die dort stattfindenden Projekte sehr wichtig. Auch als er nicht mehr reisen konnte, galt sein ganzes Interesse der Entwicklung der Gedenkstättenarbeit.

Mit 80 Jahren verstarb Johann Ludwig „Hans“ W. 1995 in seiner Heimatstadt Amsterdam.