Eva T.

Eva-B._PortaitDie Zeit vor der Inhaftierung
1926 bis 1944

Eva T. kam am 30. März 1926 in Sombor (Serbien) zur Welt. Ihre Eltern, Julie und Julia waren Juden, erzogen die einzige Tochter aber nur wenig religiös und überließen ihr alle Entscheidungen über ihre eigene Gläubigkeit. Das Kind aus gutbürgerlichen Verhältnissen besuchte zunächst in Sombor die Grundschule und im Anschluss acht Jahre lang das Gymnasium, das sie im März 1944 wegen der antijüdischen Gesetze verlassen musste. Bis dahin war Sombor von den antisemitischen-politischen Entwicklungen in Europa nur wenig betroffen. Im April 1941 besetzten deutsche Truppen Jugoslawien und teilen das Gebiet unter den Achsenmächten Deutschland, Ungarn und Italien auf. Jugoslawien existierte nach der Balkan-Krise von 1941 nicht mehr und die Region um Sombor wurde Ungarn zugeordnet, bis dieses 1944 von den Deutschen besetzt wurde. Bereits vor dem Einmarsch der deutschen Truppen, begannen im Land erste Repressalien gegen die jüdische Bevölkerung. Nach der Besetzung wurden auch die ungarischen Juden deportiert.

Die Zeit während der Inhaftierung
1944 bis 1945

Nachdem der Vater bereits Anfang April 1944 verhaftet wurde, mussten Eva und ihre Mutter nur einige Tage später, am 26. April 1944, in das Ghetto Sombor übersiedeln. Am nächsten Tag wurden sie in die Stadt Baja, nördlich von Sombor transportiert, um von dort aus wenige Tage später auf Viehwaggons verladen und weggeschafft zu werden. Die Fahrt endete am 2. Mai im KZ Auschwitz-Birkenau. Gemeinsam durchliefen Eva und ihre Mutter das Aufnahmeritual: Sie mussten alle persönlichen Sachen abgeben, im sogenannten Saunagebäude mussten sie duschen, nackt antreten um am ganzen Körper rasiert zu werden, sie empfingen die gestreifte Häftlingskleidung und bekamen die Häftlingsnummer in den linken Unterarm tätowiert, Eva erhielt die Nummer 80692.

Eva erkrankte an Scharlach und kam für einige Zeit ins Krankenrevier.  Danach wurde sie im so genannten „Kanada-Kommando“ eingesetzt. Dort war es ihre Aufgabe, das Gepäck der angekommenen Häftlinge nach Wertgegenständen zu durchsuchen.

Wegen einer kleinen Wunde am Bein fiel Julia im Herbst 1944 einer Selektion im Lager zum Opfer. Sie wurde in der Gaskammer umgebracht. Eva B. war zu diesem Zeitpunkt erneut im Krankenrevier und so erfuhr sie erst vom Tod der Mutter, als sie nach einigen Tagen wieder in die Unterkunftsbaracke zurückkam. Ihren weiteren Weg musste sie nun alleine, ohne die physische und psychische Hilfe ihrer Mutter bewältigen. Der Tod der Mutter war für die junge Frau  jedoch ein unvorstellbarer Einschnitt, der ihren Überlebenswillen fast brach. Umso mehr bedeutete ihr die Freundschaft zu der vier Jahre älteren Vera R., die sie schon in Sombor kannte und die sie im KZ Auschwitz wiedertraf.

Im Spätherbst begann die SS arbeitsfähige Häftlinge in Konzentrationslager im Westen zu deportieren, da die Rote Armee von Osten näher rückte. Auch Eva B. und Vera R. kamen Anfang November in einen Transport, der in das völlig überfüllte KZ Bergen-Belsen führte. Mitte Dezember wurden die Freundinnen mit etwa 600 Frauen in das KZ-Außenlager SS-Reitschule bei Braunschweig überstellt. Die Frauen mussten in der Stadt Trümmer- und Schneeräumen, so dass sie mitten in der Zivilgesellschaft arbeiteten.

Im Februar wurden die Frauen beim morgendlichen Appell in zwei Gruppen geteilt. Eva war zu dieser Zeit sehr krank und schwach und ihr erster Gedanke war, dass es sich um eine Selektion handelt und sie diese nicht überleben würde. Ihre Freundin Vera, der es ein wenig besser ging, kam in die andere Gruppe. Diese Trennung war für die 19jährige Eva eine „besondere Katastrophe“:

Der Transport mit den nicht-arbeitsfähigen Frauen ging ins Salzgittergebiet. Doch statt der befürchteten Gaskammer, erwartete Eva im KZ-Außenlager Watenstedt/Leinde zunächst ein Bad und im Anschluss ein Schlafhemd und eine Decke. Im KZ Watenstedt/Leinde war Eva ausschließlich im Krankenrevier untergebracht. Dort lag sie die meiste Zeit im Bett, stand nur auf, um sich zu waschen oder um auf die Toilette zu gehen. Eine polnische Häftlingsärztin kümmerte sich um sie und so konnte die 19jährige etwas zu Kräften kommen.

Am 7. April 1945 räumte die SS das KZ-Außenlager Watenstedt/Leinde. Eine Woche fuhr der Zug aus offenen Güterwaggons und Viehwagen die Häftlinge zwischen den Fronten hin und her. Von KZ  zu KZ, die jedoch alle überfüllt waren und die Menschen nicht aufnehmen wollten.

Eva, die sich während ihrer Zeit im Krankenrevier ein wenig erholt hatte, brach erneut zusammen. Nach etwa 10 Tagen erreichte der Zug das KZ Ravensbrück. Obwohl es Eva weiterhin nicht gut ging, vermied sie, sich im Krankenrevier zu melden. Diese Entscheidung rettete ihr vermutlich das Leben, denn in diesen Zeiten konnte sie nicht mehr auf Pflege und Erholung hoffen. Nach zwei Wochen ging es für die Marschfähigen mit unbekanntem Ziel zu Fuß weiter. Am 1. Mai erreichten die erschöpften Häftlinge das KZ Malchow.

Am folgenden Tag wurde Eva in Malchow von der Roten Armee befreit. Auf Anraten der Befreier blieb sie aber zunächst im Lager, versorgt von den Alliierten, um das Ende des Krieges abzuwarten.

Eva-B._1998Die Zeit nach der Inhaftierung
1945 bis 2008

Die sowjetischen Alliierten richteten in Neubrandenburg ein Repatriierungslager für Jugoslawen ein. Auch Eva B. verbrachte dort einige Zeit, bevor sie die Reise in ihr Heimatland antreten konnte. Am 12. August 1945 kehrte sie nach Sombor zurück. Dort traf Eva auch ihren Vater wieder.

1949 heiratete Eva den Studenten Nikola T., den sie in einem Abendkurs kennengelernt hatte. Durch seine ähnlichen Erlebnisse konnte er mit den Ängsten und Albträumen seiner Frau umgehen und so fühlte sich Eva bei ihm immer verstanden. Der Wunsch nach einer eigenen Familie erfüllte sich 1956 mit der Geburt der Tochter Lidija und acht Jahre später mit dem Sohn Aleksander. Eva T. sprach selten über ihre Erinnerungen. Erst im Rentenalter begann sie die Erlebnisse intensiv aufzuarbeiten. Durch ihr Engagement im Goetheinstitut und im Jüdischen Museum Belgrad konnte Eva T. viele Veröffentlichungen zur NS-Geschichte bekommen und lesen. Ihre Fähigkeit sechs Sprachen zu sprechen, gab ihr die Möglichkeit sehr unterschiedliche Zugänge zum Umgang mit der Erinnerung zu suchen. Begleitet wurde sie oft von ihrer engen Freundin Vera, die ihr schon während der KZ-Zeit viel Kraft gegeben hatte.

Nach ihrem ersten Besuch in Salzgitter, im April 1996, hielt Eva T. intensiven Kontakt mit dem Arbeitskreis Stadtgeschichte e. V., meistens per E-Mail. Bis zu ihrem Tod am 4. Juli 2008 war Eva T. stets an der Arbeit der Gedenkstätte und besonders an neuen Formen des Erinnerns interessiert.