Stefka R.

Stefka R._1995Die Zeit vor der Inhaftierung
1926 bis 1944

Stefka R. wurde im August 1926 in Pragersko (Slowenien) als ältere von zwei Töchtern geboren. Sie besuchte dort die Grundschule und später die Bürgerschule in Maribor. Mit ihrer jüngeren Schwester Tilcka wuchs sie in bürgerlichen Verhältnissen auf.

Im April 1941 besetzten deutsche Truppen Slowenien. Wegen ihrer patriotischen Haltung wurde die Familie von den deutschen Besatzern genauestens beobachtet. Diese Entwicklungen brachten Stefka dazu, sich aktiv im Widerstand zu engagieren. Zusammen mit einer kleinen Gruppe Gleichgesinnter versorgte sie Transporte von Slowenen aus Maribor und Umgebung, die nach Serbien ausgesiedelt werden sollten. Stefka stand im Briefkontakt mit umgesiedelten Familien, sie ahnte nicht, dass es ein Zollamt zwischen Kroatien und Deutschland gab.

1942 wurde sie zur Gestapo vorgeladen. Ihr Vater begleitete sie. Beim Verhör bekam sie einige Ohrfeigen. Ihr Vater setzte sich für sie ein, argumentierte, dass Stefka doch noch ein Kind sei. Die Reaktion der Gestapomänner war heftig: sie stießen ihn eine Treppe herunter. Dennoch durfte Stefka am Abend nach Hause. Aber schon am nächsten Tag bekam die 16jährige eine Benachrichtigung, dass sie zum Arbeitsdienst nach Deutschland müsse. Sofort packte sie ihre Sachen und floh zu einer Tante nach Wien. Dort blieb sie bis 1943. Aber das Heimweh trieb sie nach Hause zurück. Nach ihrer Rückkehr war sie wieder im Widerstand aktiv und unterstützte Partisanen in einem nahegelegenen Waldgebiet.

Die Zeit während der Inhaftierung
1944 bis 1945

1944 wurde sie von Einheimischen verraten. Die Gestapo verhaftete Stefka erneut und misshandelte sie schwer bei den Verhören im Gefängnis von Maribor. Bereits zuvor wurde Stefkas Freundin Angelca W. festgenommen. Bei ihr fand die Gestapo ein Tagebuch, in dem sie leichtsinnig alle Aktionen und die Namen anderer Widerstandskämpferinnen notiert hatte. Die beiden Mädchen blieben während ihrer gesamten Haftzeit und auch später Freundinnen, auch wenn das Wissen um die Leichtsinnigkeit Angelcas die Beziehung belastete.

Nach einer langen Reise durch mehrere Gefängnisse und Lager kam Stefka R. Mitte September 1944 im KZ Ravensbrück an. Hier erhielt sie Häftlingskleidung und die Häftlingsnummer 77553.

Eines Tages wurden nach der Arbeit ihre Hände untersucht. Vermutlich wurde Stefka dabei auf ihre Arbeitstauglichkeit überprüft.

Mitte Oktober 1944 kam Stefka in einen Transport, der sie in das KZ-Außenlager Salzgitter-Bad brachte. Sie erhielt gestreifte Häftlingskleidung, Unterwäsche und Holzschuhe, außerdem die neue Häftlingsnummer 9509, die dem KZ Neuengamme zugeordnet war.

Etwa 20 Frauen waren in einer Stube in einer der vier Holzbaracken auf dem Lagergelände untergebracht. Dort traf Stefka auch auf andere Sloweninnen, mit denen sie sich anfreundete. Sie wurde zur Arbeit im Kleineisenwerk am Gittertor eingeteilt. Auf LKW wurden die jungen Frauen dorthin gebracht, um in der Rüstungsproduktion zu arbeiten.

Das Leben im Lager war nicht ganz so hart wie in den großen Hauptlagern, aber trotzdem waren die Frauen hier für die tägliche, sehr anstrengende Arbeit unterversorgt. Brachte ein Häftling gute Leistungen, hatte sie die Möglichkeit zusätzliches Essen zu erhalten. Stefka wollte davon aber nichts wissen und versucht vielmehr die Produktion zu sabotieren.

Nach der Arbeit mussten die Frauen meistens noch auf dem Lagergelände weitere Aufgaben erfüllen. Zeit für Erholung hatten sie kaum. Wenn sie in den Baracken waren, versuchten sie vor allem sich selber und ihre Kleidung zu reinigen. Auf den Stuben befand sich auch ein Ofen, aber das Brennmaterial war knapp. So schmuggelten die Häftlinge unter Decken, die sie sich auf dem Lastwagen umhängen durften, Brennmaterial in das Lager. Aber diese Aktion flog auf, und so mussten alle Häftlinge abends zur Strafe stundenlang in der Kälte stehen.

Stefka R._heimlicher-BriefDieses Leben hielt Stefka psychisch nicht aus, und so hatte sie mehrere Zusammenbrüche. Vor allem die Trennung von ihrer Familie belastete sie sehr. Kontakte nach außen waren den Häftlingen untersagt. Aber Stefka konnte sich damit nicht abfinden und organisierte Papier, vermutlich von einem Arbeiter aus der Fabrik, um nach Hause zu schreiben. In den eng geschriebenen Zeilen erzählte sie von ihrem Leben im Lager und ihrer Hoffnung, bald nach Hause zu können. Sie schickte die Briefe ab, indem sie diese irgendwo auf dem Weg zur Arbeit fallen ließ. Eine Person aus der Umgebung musste einen Brief aufgesammelt und abgeschickt haben, denn eines Tages bekam Stefka Post von ihren Eltern. Damit war ihr Vergehen aber entdeckt worden. Woher sollte der Vater schließlich gewusst haben, wo Stefka sich befand? Außerdem fiel auf, dass die Bezeichnung des Lagers und auch die Häftlingsnummer falsch waren. Stefka musste mit einer harten Strafe rechnen. Aber als der Lagerkommandant sie zu sich rief, ließ er sie nur ein slowenisches Lied vorsingen und nahm ihr das Versprechen ab, nicht wieder heimlich zu schreiben. Nach einigen Wochen war es manchmal auch offiziell erlaubt, Briefe an die Eltern zu schreiben. Nun konnte Stefkas Mutter ihr endlich die Pakete schicken, um die sie schon so lange gebeten hatte.

Mit dem Näherrücken der Front änderte sich die Atmosphäre im Lager spürbar. Jeden Tag hofften die Frauen auf ihre Befreiung. Die Häftlinge aus den KZ Salzgitter-Bad und Drütte wurden in Waggons verfrachtet und Richtung Norden transportiert.

In Celle geriet der Zug in einen Bombenangriff der Alliierten. Die Frauen hatten die Möglichkeit, aus dem Waggon zu springen. Stefka floh gemeinsam mit ihrer Freundin Angelca. Die marschfähigen Überlebenden mussten in Kolonnen zum KZ Bergen-Belsen laufen. Drei Tage marschierten die Menschen, die Nächte verbrachten sie im Freien. In dieser Situation kam bei Stefka erstmals der Gedanke auf, dass sie vielleicht doch nicht mehr nach Hause zurückkehren würde.

Stefka erreichte mir den anderen Häftlingen das KZ Bergen-Belsen. Das ganze Gelände war mit Leichen übersät, eine Versorgung fand nicht mehr statt. Stefka erkrankte sehr schwer, so dass sie nicht mehr aufstehen konnte. Die anderen Mädchen halfen ihr, indem sie Essen organisierten. Aus Angst vor Typhus vermieden die Inhaftierten von dem Wasser zu trinken.

Eines Tages erzählte ein anderer Häftling, dass Stefkas Heimatort bombardiert worden sei und sie dort nichts mehr finden würde. In diesem Moment gab die junge Slowenin auf. Aber ihre Freundinnen halfen ihr weiter und trugen sie zu den Appellen.

Die Zeit nach der Inhaftierung
ab 1945

Am 15. April 1945 wurde das KZ Bergen-Belsen von den britischen Truppen befreit. Stefka kam gegen ihren Willen ins Krankenrevier, aber der Arzt wollte sie nicht entlassen. Eines Tages kamen ihre Freundinnen sie besuchen. Sie schafften Stefka heimlich aus dem Revier und nahmen sie mit in die Kaserne, in der sie untergebracht waren. Dort ging es der jungen Slowenin langsam besser.

Im Frühsommer 1945 organisierten die britischen Militärbehörden Erholungsaufenthalte für ehemalige Deportierte. In Osterwald sollte sich auch Stefka R. erholen, bevor sie in die Heimat zurückkehren würde. Sie blieb bis zum 14. August 1945 in Osterwald. Drei Tage später trat die 19jährige ihre Heimreise an. Zunächst verbrachte sie drei Tage in Quarantäne in Jesenice, bevor sie nach Pragersko weiterfahren durfte. Ihre Familie wusste nicht, dass Stefka überlebt hatte. Ihnen war gesagt worden, dass sie bei einem Brand im Lager umgekommen sei.

Ein halbes Jahr lang hat sie „in den Tag hinein gelebt“, dann erst begann Stefka wieder soziale Kontakte zu knüpfen. Durch ihre Freundinnen fand sie die Motivationen ihren Traum, Lehrerin zu werden, umzusetzen. In ihrem Beruf hatte sie die Möglichkeit, über ihre Erfahrungen zu berichten.

Nach ihrer Hochzeit mit Josza F., bekam sie zwei Kinder. Mit ihnen sprach Stefka nicht über ihre Erlebnisse, sie wollte sie nicht damit belasten. Erst als sie sich 1995 entschloss nach Salzgitter zu fahren, begann sie auch ihre eigene Familie mit ihrer Vergangenheit zu konfrontieren.

Zur Eröffnung des internationalen Treffens ehemaliger KZ-Häftlinge in Salzgitter hielt Stefka F. eine Rede. Hier erwähnte sie erstmals die geheimen Briefe. Welche Bedeutung diese für sie hatten, aber auch welche Bedeutung die Briefe für die Forschung haben würden, war zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar. Erst in persönlichen Gesprächen und im Interview im August 2000 wurde ihre Bedeutung deutlich. Auf Schnipseln oder auf herausgerissenen Heftseiten, eng mit Bleistift geschrieben, zeugen die Briefe von Verzweiflung und Hoffnung. Für Stefka F. sind sie noch heute ein Beleg für die Leiden während der KZ Haft, gleichzeitig sind sie aber auch ein Talisman, den sie in Ehren hält.