Dies ist der letzte Beitrag zu den Gedenktagen 2020. In Erinnerung an alle Opfer und Überlebenden des Nationalsozialismus in Salzgitter!
Der Ort
❘ Mit der Gründung der Reichswerke „Hermann-Göring“ kamen ab 1937 immer mehr Menschen in das Aufbaugebiet. Nach Kriegsbeginn waren dies vor allem Zehntausende Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge.
Die schwere Arbeit und die oft unzureichenden Lebensbedingungen führten zu einer stetig steigenden Sterberate. In den ersten Jahren fanden alle nicht deutschen Toten ihre letzte Ruhestätte auf den Dorf- und Kirchenfriedhöfen oder auf dem Friedhof Westerholz.
Die Errichtung eines zentralen „Ausländerfriedhofes“ begann im Frühsommer 1943. Die Reichswerke „Hermann-Göring“ stellten hierfür das Gelände mit dem alten Flurnamen Jammertal zur Verfügung. Die Fläche war ein kleiner Hügel in der sonst flachen Landschaft, da dort die bei den Aufbauarbeiten angefallene unbrauchbare Erde abgeladen worden war.
Ein kleiner Waldweg an der Peinerstraße in Salzgitter-Lebenstedt führt zum Friedhof Jammertal, auf dem insgesamt über 4.000 Opfer aus mehr als 15 Nationen beigesetzt wurden.
Die Menschen
Hier werden zwei Biografie von vielen vorgestellt. An alle soll erinnert werden.
Joseph Bos war seit Anfang 1943 im aktiven Widerstand tätig. Nach seiner Inhaftierung im Juli 1944 kam er über das Gefängnis Hasselt im August 1944 ins Auffanglager Breendonk. Von dort wurde er nach etwa zwei Wochen in das KZ Neuengamme überstellt und unter der Nummer 44563 registriert.
Für die Familie galt er ab diesem Zeitpunkt als vermisst. Erst 2017 erfuhren die Angehörigen, dass Josephus Albertus Bos noch in das KZ-Außenlager Watenstedt/Leinde überstellt wurde. Dort verstarb im Alter von 29 Jahren – laut Friedhofskartei – an einer Herzschwäche. Beigesetzt wurde er auf dem Feld Ia des Friedhofs Jammertal.
Wieso hat es so lange gedauert, bis die Familie den Bruder, Onkel und Großonkel finden konnte? Jean V., ein Neffe von Josephus, hat inzwischen eine Antwort: „Es wurde immer nach dem falschen Namen gesucht.“ Tatsächlich wurde in den Suchfallunterlagen fast ausschließlich nach Albertus Bos. Erst die neuen Recherchen von Jean brachten die Antwort. Und so konnte die Familie das Grab 2018 erstmals besuchen.
Mosche Urbach wurde am 5. April 1922 in der polnischen Stadt Lodz geboren. Bis zum Kriegsausbruch lebte er mit seinen fünf Schwestern und zwei Brüdern streng nach dem jüdischen Glauben. Nach der Besetzung der Stadt durch die Deutschen 1939, trennte sich der Weg der Familie. Seine Eltern flohen mit den drei jüngsten Schwestern zum Großvater nach Piotrkow. Von dort mussten sie nach kurzer Zeit ins Ghetto umsiedeln. Nach der Liquidation des Ghettos 1943, wurde die Familie nach Treblinka deportiert und dort umgebracht.
Mosche musste mit seinem älteren Bruder Itzchak und den Schwestern Luba und Zehawa ins Ghetto Lodz umsiedeln. Mit dem Beginn der Auflösung des Ghettos 1944 wurden sie ins KZ Auschwitz-Birkenau deportiert. Luba wurde in den Gaskammern ermordet, Zehawa kam in ein Außenlager und Mosche und Itzchak wurden im Oktober 1944 in das KZ Braunschweig Schillstraße überstellt. Der Arbeitseinsatz der KZ-Häftlinge erfolgte in drei unterschiedlichen Abteilungen des Braunschweiger Werkes. Die Brüder waren getrennt worden und sahen sich nur beim täglichen Zählappell.
Durch die unzureichende Verpflegung, die mangelhafte Hygiene, die Folgen der Misshandlungen, sowie die geringe ärztliche Versorgung wurde Mosche immer schwächer; -er galt als arbeitsunfähig und kam in das KZ Watenstedt/Leinde, wo er am 10. Januar 1945 starb.
Nur Itzchak und Zehewa überlebten und wanderten 1946 nach Israel aus. Sie erfuhren erst 1955, dass Mosche Urbach auf dem Friedhof Jammertal beerdigt ist und planten einen Besuch. Dieses Grab hatte für sie eine große Bedeutung, denn ihre Eltern und anderen Geschwister wurden in den Gaskammern von Treblinka und Auschwitz ermordet. Das Grab ihres Bruders Mosche war deshalb der einzige Ort zum Trauern.